Bachs italienische Meister
Florian Birsaks großartige Leistung in der St. Vinzentiuskirche
Ruhr-Nachrichten, 8.11.2005
Harpen. Auch einem Meister wie Johann Sebastian Bach ist nicht alles zugeflogen. Die fünften Bochumer Bachtage förderten diesen Umstand bei einem schönen Konzert zu Tage: Bevor der Leipziger Komponist sein geniales, so genanntes „Italienisches Konzert“ zu wege brachte, musste er sich erst einmal lange Zeit mit den italienischen Meistern beschäftigen. Irgendwann begann es (damals gab es noch kein Urheberrecht), Orchesterwerke von Vivaldi, Torelli und anderen Italienern für Tasteninstrumente zu transkribieren.
Dabei übertrug er nicht einfach nur ihre Stimmführung auf das Spiel mit zwei Händen, sondern nahm auch Veränderungen an den Partituren vor, stattete das Ganze ornamental aus.
Keine leichte Übung für einen Cembalisten, diese Konzert-Transkribierungen zu Gehör zu bringen. Der Salzburger Florian Birsak meisterte sie jedoch bravourös.
In der Harpener St, Vinzentius-Kirche, neben der Stiepeler Dorfkirche eine der ältesten und schönsten Kirchen Bochums, zeichnete er die Entwicklung der Kompositionskunst nach italienischem Gusto nach, die Johann Sebastian Bach vollzogen hat. So anmutig Birsaks hellblaues Cembalo, das eigens für ihn nach flämischen Vorbildern gebaut wurde, so auch sein Spiel: Gut strukturiert, klar und rein erklangen Bachs Bearbeitungen von Vivaldis Violinkonzert in D.Dur und Torellis Violinkonzert in H-Moll. Wenn man die Augen schloss, meinte man in einigen Momenten, da zupfte einer die Harfe anstatt die Mechanik des Cembalos in Bewegung zu setzten.
Interessant an der Aufführung der Torelli-Bearbeitung war, dass hier Themen anlangen, die man auch in anderen Bachschen Kompositionen wie etwa dem Konzert für Oboe und Violine in d-moll wieder finden kann.
Das zeigte: In Zeiten, wo Autorschaft und die damit verbundenen Rechte noch nicht so wichtig genommen wurden, benutzte man Werke anderer Komponisten auch als Material für eigene Schöpfungen.
Am Schluss der Konzerts ließ Birsak dann in einer irren Geschwindigkeit fulminant das „Italienische Konzert“ erklingen, eine an Virtuosität wohl kaum zu überbietende Meisterleistung von Komponist und Interpret. fkü